Hashemi vor Rednerpult
Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, sieht ein "Schicksalsjahr für Menschenrechte in Österreich".
APA/GEORG HOCHMUTH

Wien – Amnesty International (AI) sieht in Österreich gravierende Menschenrechtsprobleme. In dem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht 2023/24 sieht die Menschenrechtsorganisation bei Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen, bei der Obsorge unbegleiteter geflüchteter Kinder und beim Zugang zur Sozialhilfe Mängel. Mit Blick auf die anstehenden Wahlen sprach AI-Österreich-Geschäftsführerin Shoura Hashemi von einem "Schicksalsjahr für Menschenrechte in Österreich".

Verbesserungsbedarf bei Sozialhilfe

Sie appellierte in einer Aussendung "an alle Parteien, sich für den Schutz und die Verwirklichung der Menschenrechte einzusetzen, anstatt mit spaltender Rhetorik Angst zu schüren". Die Probleme hierzulande hätten sich entgegen den Versprechungen der Regierung verschärft.

Gegen menschenrechtliche Verpflichtungen verstoße etwa die derzeitige Regelung der Sozialhilfe, wie aus dem Österreich-Kapitel des Jahresberichts hervorgeht. Sie sei ein "löchriges soziales Auffangnetz", das Armut verfestige, außerdem gebe es Hindernisse beim Zugang, hieß es in der dazugehörigen Pressemitteilung. Dass subsidiär Schutzberechtigte und ukrainische Geflüchtete gar keinen Zugang zur Sozialhilfe, sondern nur zur geringeren Grundversorgung haben, führe zu prekären Situationen.

Nicht nur ukrainische, sondern auch unbegleitete geflüchtete Kinder finden in Österreich laut AI keine zufriedenstellende Situation vor. Ein großer Teil von ihnen verschwindet nämlich wieder aus der offiziellen Betreuung – im letzten Jahr hätten sich knapp 95 Prozent jener, die Asyl beantragten, dem Asylverfahren entzogen. Bei einer Mehrheit sei der Verbleib unbekannt. Die Kinder würden Gefahr laufen, Opfer von Menschenhandel zu werden, fürchtet AI. Einer der Hauptgründe für diese Situation sei das Fehlen einer Obsorge ab dem Zeitpunkt ihrer Ankunft in Österreich.

Frauenrechte in Gefahr

Auch sieht die NGO die Frauenrechte in Gefahr. 26 Frauen seien 2023 mutmaßlich Femiziden zum Opfer gefallen. Es fehle ein nachhaltiger Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt an Frauen, dieser müsse einen Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten und Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung beinhalten.

Problematisch sei zudem die Rechtslage beim Schwangerschaftsabbruch, der aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden müsse, betonte Hashemi. Dabei müssten "die finanzielle Belastung der Betroffenen verringert und Versorgungslücken geschlossen werden". Heute ist der Zugang je nach Region unterschiedlich schwer, die Kosten werden privat bezahlt.

Wirtschaftlicher Druck im Journalismus

Journalistinnen und Journalisten sieht AI mit wirtschaftlichem Druck, aber auch Slapp-Klagen, also Einschüchterungsklagen, konfrontiert. Hashemi fordert, die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit zu stärken und Journalisten vor Slapp-Klagen zu schützen. Auch brauche es "eine Medienförderung, die sich an klaren und objektiven Qualitätskriterien orientiert".

Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte gefordert

In dem Bericht werden zudem Handlungen der Polizei bei Demonstrationen kritisiert. In Wien hätte die Behörde Journalisten bei der Berichterstattung über Proteste behindert. Um Misshandlungsvorwürfe durch die Polizei besser aufklären zu können, fordert AI eine Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten.

Nicht einverstanden zeigte sich die NGO auch mit dem Verbot eines Pro-Palästina-Protests in Wien. Außerdem sieht die Organisation eine Zunahme von Hassverbrechen und rassistisch motivierten Taten, seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 auch einen Anstieg der antisemitischen und antimuslimischen Vorfälle.

Auch die vor allem vonseiten der ÖVP propagierte Idee, schärfere Strafen für "Klimakleber" einzuführen, fand in dem Bericht Niederschlag. Gleichzeitig seien die Maßnahmen gegen den Klimawandel nicht ausreichend, um die Ziele zu erreichen. Bemängelt werden außerdem die Zustände in österreichischen Haftanstalten – hier geht es etwa um unverhältnismäßig lange Isolation in der Schubhaft, aber auch um den mangelnden Zugang zu psychosozialer und medizinischer Behandlung sowie um "katastrophale Zustände" von Zellen und Sanitäranlagen. (APA, 24.4.2024)