Über die Kehren der Großglockner-Hochalpenstraße in den Urlaub fahren: Die Gesellschaft lockt Stauflüchtlinge mit Sonderpreisen.
grossglockner.at/Stabentheiner

Es ist ein Angebot, das einen staunen lässt: Die Großglockner-Hochalpenstraße, die durch den Nationalpark Hohe Tauern führt, preist Reisenden in der Zeit der Tunnelsanierung auf der Tauernautobahn (A10) die Panoramastraße als erlebnisreiche, staufreie Alternativroute an. Urlauber, die eine Buchungsbestätigung in einer Unterkunft in Salzburg, Osttirol oder Kärnten vorweisen können, sollen die 48 Kilometer lange Passstraße zu einem Sonderpreis von 33 Euro anstatt 43 Euro pro Auto befahren können.

Das Angebot gilt nur am An- oder Abreisetag und nicht im Juli und August, da in der Zeit die Tunnelsanierung auf der A10 ausgesetzt wird. In den beiden Hauptreisemonaten pausiert die Asfinag aufgrund des starken Reiseverkehrs mit der Baustelle, und die Tauernautobahn ist wieder zweispurig befahrbar. Im Mai, Juni sowie September und Oktober wird der Kfz-Verkehr in den beiden Scheiteltunneln der Autobahn jedoch nur durch eine Röhre im Gegenverkehr geführt.

Dass er mit der Aktion "Staufrei über den Großglockner" eine Verkehrslawine im höchsten Schutzgebiet der Alpen auslösen könnte, glaubt Grohag-Vorstand Johannes Hörl nicht. "Wir lösen keine zusätzlichen Pfade und auch keinen Umweg aus. Diese Strecken sind im Wesentlichen gleich lang", betont Hörl im ORF Kärnten. Stau- oder Stop-and-Go-Verkehr auf der Autobahn sei in Sachen CO2-Emissionen weit umweltschädlicher und werde durch die Aktion vermieden oder zumindest vermindert.

Wissenschafter empört über Grohag-Aussagen

Es sind Aussagen, die die Wissenschafterinnen und Wissenschafter von Scientists4Future Österreich empören. Die Fachgruppe zur Mobilitätswende unter der Leitung von Johannes Fiedler betont, dass einige dieser Aussagen irreführend seien und nicht den Tatsachen entsprächen. Es werde so der Eindruck erweckt, dass es sich bei der Glockner-Hochalpenstraße um eine klimaschonende Alternative zur A10 handeln würde. "Das ist definitiv nicht der Fall – selbst im Falle starker Staubildung auf der A10", betont Fiedler.

Das Bergpanorama auf der Großglockner-Hochalpenstraße sollen heuer noch mehr Autofahrer genießen.
grossglockner.at/Königshofer

Die Strecke von Bischofshofen bis Spittal an der Drau beträgt auf der A10 104 Kilometer, über die Glocknerstraße 188 Kilometer. Diese Route führt auf 2500 Meter Höhe in hochsensibles alpines Gelände. "Rechnet man mit 1000 Autos pro Tag über drei Monate, ergibt das über zehn Millionen Fahrkilometer. Daraus ergeben sich über 2000 Tonnen CO2-Ausstoß, Feinstaubbelastungen und entsprechende Unfallzahlen", rechnen die Wissenschafter vor.

Selbst bei einröhrigem Betrieb werde im Vergleich weder die Strecke auf der A10 länger, noch würden zusätzliche Höhenmeter ins Gewicht fallen. Durch Tempo 60 im Tunnel und bei gutem Fahrverhalten würde sich die Fahrtzeit etwa um zehn Minuten erhöhen. Der Klimabilanz sei die niedrigere Geschwindigkeit jedenfalls zuträglich. Aussagen zu den vermeintlichen Klimaschutzmaßnahmen wie Tempo 70 oder neue E-Ladepunkte auf der Glocknerstraße könnten nur als Greenwashing bezeichnet werden, heißt es von Scientists4Future.

Grüne fordern Rücknahme des Angebots

Die Grünen haben am Mittwoch auch einen Antrag im Landtag eingebracht, dass die Landesregierung an das Grohag-Management herantreten solle, "damit die Empfehlung der Großglockner-Hochalpenstraße als Staualternative für die Tauernautobahn (inklusive ermäßigter Tarife) umgehend zurückgenommen wird". Die Gesellschaft würde Menschen, die mit dem Fahrrad zum Glockner fahren wollen, raten, an den Tagesrandzeiten zu fahren, um den Autoverkehr auf der beliebten Ausflugsstraße zu entgehen. "Während Radfahrerinnen und Radfahrer wohlgemeinte Tipps gegeben werden, wird dem fossilen Verkehr der rote Teppich ausgerollt", ärgern sich die Grünen in dem Antrag. Die Landtagsabgeordneten der Grünen wollen, dass der nachhaltige, umweltfreundliche Tourismus gestärkt werde und ein autofreier Tag pro Monat auf der Großglockner-Hochalpenstraße eingeführt wird.

Die Großglockner Hochalpenstraßen AG ist zu 79 Prozent im Besitz der Republik Österreich, den Rest teilen sich die Bundesländer Kärnten und Salzburg zu je 10,5 Prozent. Anfang Mai wird die Straße wieder vom Schnee geräumt und ist nach dem alljährlichen Durchstich der blauen Wallack-Rotationspflüge beim Hochtor auf 2504 Meter Höhe wieder geöffnet.

"Offensichtlich ist es für eine öffentliche Infrastrukturgesellschaft heute immer noch möglich, aus kommerziellen Motiven klar natur- und klimaschädliche Aktivitäten zu entwickeln und scham- und verantwortungsbefreit flockige Messages zu verbreiten", ärgert sich Johannes Fiedler von der Fachgruppe Mobilitätswende. Der wahre Skandal der "reichlich unlustigen Posse" liege nicht so sehr in der Verdrehung der Tatsachen, "sondern darin, dass die Tourismuswirtschaft das Auto nach wie vor als Vehikel der Gewinnmaximierung betrachtet – je höher die Frequenz, desto besser", zeigt sich Fiedler schockiert. (Stefanie Ruep, 24.04.2024)