Österreich-Vertreterin Kaleen bei einem ESC-Termin in Malmö im Vorfeld des Bewerbs.
Österreich-Vertreterin Kaleen bei einem ESC-Termin in Malmö im Vorfeld des Bewerbs.
EPA/JESSICA GOW

Es war ein fulminanter Start, als der ORF im März den Song We Will Rave präsentierte. Die Eurovision-Fangemeinde feierte den Partyknüller, er muss aber nun auch beim europaweiten TV-Publikum ankommen. Dieses entscheidet am Donnerstag alleine darüber, ob Österreich das Finale erreichen wird. Jurys gibt es im Semifinale keine. Kaleen tritt mit Startnummer sechs an.

STANDARD: Sie kennen die Eurovision-Welt backstage, sind seit vielen Jahren Stand-in-Double bei Proben, haben Acts inszeniert und choreografiert. Doch jetzt stehen Sie selbst im Mittelpunkt. Werden Sie inszeniert, oder sind Sie Herrin Ihrer eigenen Inszenierung?

Kaleen: Du kannst dich nicht selbst inszenieren. Das würde im Kopf zu viel Platz wegnehmen. Wir haben ein gutes Team, dem ich vertraue. Ich glaube aber, es hört jeder auf mich, wenn ich noch Sachen ändern wollen würde.

STANDARD: Welche Geschichte will uns Kaleen in den drei Minuten auf der ESC-Bühne erzählen?

Kaleen: Es soll jeder, der mir zusieht, mitgerissen werden, vergessen, wo er ist, in dem Moment Positivität spüren, mitmachen wollen, mitsingen wollen, mittanzen wollen, zu Hause vorm Fernseher aufspringen wollen. Einfach eine Welle von Positivität. Das würde ich schön finden.

STANDARD: Dieser Eurovision Song Contest in Malmö wird von den politischen Ereignissen überschattet. Die israelische Delegation kann etwa das Hotel kaum verlassen. Spüren Sie diesen Schatten?

Kaleen: Man spürt ihn. Ich glaube, jeder spürt ihn, gar nicht unbedingt nur hier bei Eurovision. Ich als Mensch, als Künstlerin supporte weder Konflikte noch Krieg in irgendeiner Hinsicht. Es ist aber halt auch so, dass man als Künstler oft keine Antworten hat auf die Frage, wie man solche Situationen vermeiden kann. Wir stehen auf der Bühne und versuchen für Menschen, die Angst haben, nicht sicher sind, traurig sind, Momente zu schaffen, an denen sie sich festhalten können und vielleicht genau das einfach vergessen können. Und wir versuchen, ein bisschen mehr Frieden und Liebe in die Welt zu tragen. Ich glaube, dafür steht der Song Contest auch, und deswegen ist es wichtig, dass es ihn gibt.

Eurovision Song Contest

STANDARD: Gehen Sie oft raven?

Kaleen: Zu selten. Also ich habe Raven für mich als Definition: Spaß haben, egal in welcher Konstellation. Und wenn das mit der Familie beim Frühstück ist, und man genießt das, man hat Spaß, man vergisst den Moment, warum kann das nicht auch Raven sein? Ich finde, es muss nicht Club, finster, dunkel, Alkohol, Lichter, drei Uhr in der Nacht sein. Wo auch immer kann man doch einen schönen, positiven Moment haben, in dem die Musik einen einfach mitreißt.

STANDARD: Früher war hinter Raves ein politischer Anspruch. Es gab noch kein Internet. Man hat über Zettel und über Anrufe erfahren, wo der nächste, meist illegale, Rave stattfindet. Raves waren Orte der Inklusion, Schutzräume und Queerness. So gesehen fast ein bisschen wie der Song Contest.

Kaleen: Danke für die kurze Geschichtsstunde. Es ist schön, mehr Hintergrundwissen zu haben.

STANDARD: Ihr Weg zum Song Contest wirkte strategisch sehr gut geplant. Gibt es einen Plan für die Zeit nach dem Eurovision Song Contest?

Kaleen: Natürlich ist der Song Contest jetzt im Fokus, auf das haben wir uns wirklich lange vorbereitet. Wir haben die nächsten Songs in der Schublade, wir haben die nächsten Konzerte geplant. Also, da wird viel kommen.

STANDARD: War Ihnen die Beschreibung "strategisch geplant" gerade unangenehm?

Kaleen: Nein, ich habe nicht gewusst, in welche Richtung das geht. Ja, wir haben natürlich geplant, wir haben uns darauf vorbereitet. Aber es gibt zum Beispiel Leute, die meinen, dass mein Oberteil aufgegangen ist, wäre sicher Absicht gewesen. Aber das ist leider einfach so passiert.

Kaleen auf der Bühne der Nordic Eurovision Party in Stockholm im April.
Kaleen auf der Bühne der Nordic Eurovision Party in Stockholm im April.
AFP/TT News Agency/CHRISTINE OLS

STANDARD: Sie sprechen davon, dass in London bei einer Song-Contest-Party beim Auftritt Ihr Oberteil gerissen ist. Haben Sie Albträume, dass dies auf der Song-Contest-Bühne auch passieren könnte?

Kaleen: Nein, gar nicht. Mit solchen Sachen kann man nicht rechnen, man kann es nicht üben, man kann in dem Moment nur das Beste daraus machen. Ich habe dann mit einer Hand das Oberteil gehalten und mit der anderen das Mikrofon.

STANDARD: Sie sind bei den Song-Contest-Partys mit Ihren Kostümen und mit viel Sexiness aufgefallen.

Kaleen: Ja, ich fühle mich so einfach wohl. Und ich finde, das ist eigentlich die stärkste Aussage, die man haben kann. Ich habe die Kontrolle über meinen Körper, deswegen entscheide ich, was zu sehen ist und was nicht. Ich ziehe das nicht an, um am nächsten Tag die Schlagzeilen zu lesen, sondern einfach, weil ich so authentisch bin. Das bin ich, war ich schon immer und wird sich auch nicht ändern.

STANDARD: Sind Sie Feministin?

Kaleen: Ja, schon. Ich glaube schon, ja.

STANDARD: Der Song Contest ist nicht nur ein Musikfestival, er ist auch ein Wettbewerb, das kennen Sie ja von Ihrer früheren Karriere als Sporttänzerin ...

Kaleen: Ja, ich kenne das, ich bin auf Wettbewerbsbühnen aufgewachsen. Nur ist es wahnsinnig lustig beim ESC, da gibt es dieses Konkurrenzdenken nicht, das ist einfach Freundschaft. Wir geben ein Konzert miteinander – und damit es lustig ist für die Außenwelt, können die Zuschauer uns bewerten.

STANDARD: Werden Sie am Samstag im Finale auch singen?

Kaleen: Ja. Das ist der Plan. (Marco Schreuder, 9.5.2024)