Ein Arbeiter im Gasverteilerzentrum Baumgarten.
Im Fall eines Lieferstopps müssten heimische Gasversorger rasch Alternativen finden, auch wenn diese teurer sind. Ansonsten wären sie gegenüber Endkunden schadenersatzpflichtig.
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In ihrem Plan für einen Ausstieg aus russischem Gas hat sich Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) kürzlich juristische Hilfe eingeholt. Die Anwaltskanzlei NHP, die auf Umweltrecht spezialisiert ist, sollte in einem Rechtsgutachten klären, ob österreichische Gasversorger gegenüber ihren Endverbrauchern haften, wenn kein russisches Gas mehr nach Österreich fließt.

Die Antwort der Juristen fällt relativ klar aus: Gasversorger können sich bei einem Lieferstopp "mit hoher Wahrscheinlichkeit" nicht auf "höhere Gewalt" berufen, sondern müssen weiter Gas liefern oder – wenn das nicht möglich ist – Schadenersatz zahlen. Der Grund: Eine Berufung auf "höhere Gewalt" wäre nur dann möglich, wenn ein Ereignis "unvorhersehbar und unvermeidlich" ist. In den zwei Jahren seit Kriegsausbruch sei die Gefahr eines Lieferstopps aber immer wieder diskutiert worden. Sie sei deshalb nicht (mehr) "unvorhersehbar".

Die Juristen weisen darauf hin, dass man die Frage auf Basis üblicher Vertragsklauseln beurteilt habe, nicht jedoch auf Basis konkreter Gaslieferverträge. Eine Einzelfallbewertung könnte deshalb "von dem vorliegenden, abstrakten Prüfungsergebnis abweichen".

Lieferstopp Ende 2024?

Das Klimaministerium will mit dem Gutachten wohl deutlich machen, dass auch Gasversorger ein finanzielles Interesse daran haben müssen, ihre Gasquellen zu diversifizieren. Schließlich steht nach der akuten Phase des Kriegsausbruchs im Jahr 2022 wieder einmal ein Gaslieferstopp im Raum, weil die Transitvereinbarung zwischen der Ukraine und Russland Ende 2024 auslaufen dürfte.

Österreich bezieht den Großteil seines Gases nach wie vor aus Russland. Der Grund dafür ist vor allem der bis 2040 reichende Liefervertrag der OMV mit dem russischen Konzern Gazprom. Im Gegensatz zur Situation bei Kriegsbeginn ist Österreich trotz der hohen Liefermengen mittlerweile weniger abhängig von russischem Gas. Die OMV betont etwa, im Falle eines Lieferstopps innerhalb von 24 Stunden auf andere Quellen zurückgreifen zu können.

Klimaministerin Gewessler hatte Mitte April ein Gesetzespaket für den Ausstieg aus russischem Gas an den Regierungspartner ÖVP geschickt, der sich bis jetzt eher zurückhaltend zeigt. Der Russland-Anteil an den heimischen Gasimporten soll laut dem Entwurf von zuletzt 90 Prozent auf null Prozent im Gaswirtschaftsjahr 2027/28 sinken. Geplant ist demnach eine Pflicht für Gasversorger, ihren Anteil an nichtrussischem Gas kontinuierlich zu steigern. Damit das Gesetzespaket verabschiedet werden kann, bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat. (Jakob Pflügl, 9.5.2024)